
Berufswege und Möglichkeiten nach der 10. Klasse – Eine Interviewreihe Teil 3
Enno: Du hast schon davon gesprochen, dass man bestimmte Fähigkeiten für deinen zukünftigen Beruf haben sollte. Welche wären das denn? Eigentlich kann man, wie in jedem Beruf auch, ohne Vorerfahrungen einsteigen. Es ist natürlich von Vorteil, wenn man etwas in die Richtung schonmal gemacht hat. Durch die Schule hatte ich ja das Glück, dass ich schon vorher Veranstaltungstechnik kennenlernen konnte und so schon Vorerfahrungen mitgebracht habe. Sonst braucht man eigentlich nicht viel. Solche normalen Sachen, wie Rechtschreibung oder Kenntnis der deutschen Sprache, sollte man schon mitbringen.
Wie sieht ein typischer Tag in deinem Leben aus? Also, einen typischen Tag gibt es nicht. Es ist nicht so wie in der Schule, dass du morgens aufstehst, dann um 8 Uhr in der Schule sein musst und irgendwann um 13:20 Uhr Schluss hast und nach Hause fährst. Dadurch, dass ich im Schichtdienst Betrieb bin, habe ich oft sehr viele Wechsel, zum Beispiel von Frühschicht auf Spätschicht. Das kann dann mal so aussehen, dass du morgens um 7 Uhr Schichtbeginn hast und früh aufstehen musst und dementsprechend dann auch früher zuhause bist. In der Spätschicht kannst du bis 10/11 Uhr ausschlafen, ganz entspannt zur Arbeit fahren und dann arbeitest du bis 23/24 Uhr, fährst nach Hause und fällst dann nur noch ins Bett.
Empfindest du es als anstrengend? Ja, schon! Vor allem durch diesen Schichtdienst Betrieb und Wochenendarbeit hast du keinen geregelten Alltag mehr, weil du ganz verschiedene Arbeitszeiten hast. Es kann dazu kommen, dass du Montag und Dienstag frei hast und den Rest der Woche arbeitest oder dass du Montag und Dienstag arbeitest, dann Mittwoch frei hast, dann Donnerstag und Freitag wieder arbeitest, Samstag frei hast und Sonntag dann wieder arbeiten musst. Es ist schon ein Beruf, bei dem man das auch möchte und der manchmal auch anstrengender sein kann, zum Beispiel durch einen nicht geregelten Schlafrhythmus. Ja, es ist kein einfacher Job, wie so ein typischer Bürojob.
Hast du in deinem ersten Ausbildungsjahr, welches du ja schon fertig hast, schon Herausforderungen erlebt? Die Umstellung vom Schulalltag ins Berufsleben! Es sind einfach zwei verschiedene Dinge, vieles wird dir nicht mehr in die Hand gelegt, sondern du musst dich selbst darum kümmern. In der Schule kommen die Lehrer ja meistens auf dich zu und nehmen dich ja bei vielen Dingen an die Hand und bringen es dir bei, im Berufsleben ist es eher so, dass du zu den Leuten kommen musst und sagen musst: Können sie mir nochmal was erklären, oder bei Dingen nochmal direkter Nachfragen musst. Das ist schon was anderes! Generell ist es einfach sehr viel Eigenverantwortung.
Das glaub ich! Du hast ja vorhin schon gesagt, dass du parallel ja immer noch zur Berufsschule musst. Gibt es dort Themen und Fächer die besonders thematisiert werden? Das Thema ist klar deine Ausbildung! Es gibt zwei verschiedene Arten vom Berufsschulsystem. Ich habe Blockunterricht, das bedeutet, ich bin anderthalb Monate nur im Betrieb, dann habe ich ein bis zwei Wochen Schule und gehe in der Zeit dann nicht in den Betrieb. Die andere Weise in vielen Ausbildungen ist, dass du im Betrieb bist und unter der Woche noch Schule hast. Also du bist zum Beispiel am Montag in der Schule, Dienstag bis Donnerstag im Betrieb und hast Freitag nochmal Schule. Bei uns an der Berufsschule hat man auch alle normalen Fächer wie Deutsch, Mathe, Religion oder Politik, aber auch viel fachbezogenen Unterricht. Man bekommt einfach viel theoretisches Wissen beigebracht über dein Berufsleben und über den Beruf selbst. Gibt es dafür auch spezielle Fächerbezeichnungen? Die normalen Fächer heißen immer noch wie vorher, aber es gibt sonst keine direkten Bezeichnungen. Der eine Lehrer macht mehr über Lichttechnik, der andere mehr über Tontechnik und der nächste über Rigging. Bei uns nennt man das Lernfächer!
Gibt es in der Berufsschule auch Prüfungen, Klausuren und Leistungsnachweise? Ja, die gibt es. Du hast, wie in jeder Schule, ganz normale Tests, wo du drauf hin arbeitest, wo dein Wissen abgefragt wird. Ist letztendlich aber nicht für die Ausbildung wichtig. Es ist natürlich positiv, wenn der Betrieb sieht, du machst in der Berufsschule mit und erbringst Leistungen. Du arbeitest allerdings auf die Abschlussprüfung hinaus, die ist das Entscheidendste. Wenn du die nicht bestehst, hast du deine Ausbildung auch nicht bestanden, wenn du im ersten Lehrjahr drei Arbeiten verhauen hast, brauchst du keine Angst haben.
Wie läuft es ab, wenn du dann im Betrieb bist? Wie in jedem Betrieb gibt es einen Ausbilder, der sich dann um dich kümmert und dich anleitet. Am Anfang ist es zum Teil nebenher laufen, zuschauen, daraus lernen, aber dann auch recht schnell eigene Verantwortung und eigene Aufgaben, man muss sich um eigene Sachen kümmern. Das wird dann natürlich nochmal kontrolliert, aber man arbeitet recht schnell selbständig. Da bekommt man dann gesagt: Hey, wir haben jetzt hier die Bühne, fang bitte schon mal an die Leuchten einzurichten. Es ist nicht das typische Nebenhergelaufe wie im Praktikum, sondern man muss schon selber arbeiten.

Welche Karrieremöglichkeiten hast du nach dem Beenden deiner Ausbildung? Also, wenn ich meine Ausbildung abgeschlossen habe, bin ich Fachkraft für Veranstaltungstechnik. In dem Beruf gibt es dann auch die Möglichkeit einen Meister zu machen und innerhalb der Veranstaltungstechnik kann man sich auch noch spezialisieren. Dazu gehört zum Beispiel auch Pyrotechnik, da kann man sich auch darauf spezialisieren. Bei uns im Betrieb gibt es dann sowas wie den Seitenmeister, wo du dann noch mal mehr Verantwortung bekommst, oder den Spielmeister. Die sind dann darauf spezialisiert, Dinge zu verhängen, hoch zu ziehen oder schweben zu lassen. Natürlich gibt es die möglichkeit die selbständig zu machen.
Hast du denn einen Plan oder ein Ziel, was du dann machen möchtest? Noch nicht so ganz. Ich will jetzt erstmal die Ausbildung hinter mich bringen und entweder bleibe ich dann in meinem Betrieb und mache noch meinen Meister, oder ich überlege den Betrieb zu wechseln und in die große weite Welt zu gehen. Ich arbeite jetzt aktuell an der Staatsoper Hannover, sprich: festes Haus, wir haben eine feste Bühne. Natürlich gibt es dann auch die freie Wirtschaft, dass du zum Beispiel sagst, du bist in einer Tournee-Band und fährst als Veranstaltungstechniker um die Welt oder Europa und baust dort Bühnen auf und führst die Konzerte durch. Darauf hätte ich auch sehr viel Lust, aber das ist auch mit sehr viel Arbeit und Zeit verbunden. Wenn so eine Band eine Tournee macht, ist sie auch mal gut drei Monate unterwegs und dann bist du drei Monate von zuhause weg, von deinen Freunden weg und fokussierst dich eigentlich nur auf deine Arbeit.
Gibt es besondere Erlebnisse, die du schon hattest? Ja, eigentlich schon! Dadurch, dass ich ja in der Staatsoper hier arbeite, haben wir auch den Opernball, den wir bewirtschaften. Das ist eigentlich eines der größten Highlights in Hannover. Es ist schon ein Erlebnis dort hinter der Bühne zu stehen und zu sehen, was im Hintergrund passiert, wie die Vorbereitungen dafür aussehen und das Endprodukt mit zu gestalten und einfach mit dazu zu gehören. Das ist schon ein großes Erlebnis!
Was würdest du jemandem raten, der sich für den Beruf des Veranstaltungstechnikers interessiert? Offenheit! Sei offen für viele Dinge. Es ist ein vielfältiger Beruf und man muss sehr viel Lust mitbringen, weil es, wie gesagt, durch die Arbeitszeiten und das Arbeiten am Wochenende ein anstrengender Beruf ist. Das sind so Dinge, die dir im Vorstellungsgespräch eingetrichtert werden. Ich glaube, ich wurde fünf mal daran erinnert, dass der Beruf so aufgebaut ist, dass wenn deine Freunde feiern, du arbeiten musst. Ja, man muss schon damit rechnen, dass sehr viel deiner privaten Zeit dafür drauf geht. Du arbeitest eigentlich 365 Tage im Jahr, sprich wenn deine Familie Weihnachten feiert, an Silvester oder deinem Geburtstag kann es sein, dass du auf der Arbeit bist. Das ist der Punkt, wo viele Menschen sagen, dass sie darauf keine Lust haben. Gerade weil es nicht dieses typische arbeiten von Montag bis Freitag oder Samstag ist.
Und wenn sich jemand für den Berufsweg der Ausbildung entscheidet, was würdest du denen raten? Auch für die Menschen, die vielleicht kein Abitur mehr erreichen möchten. Ich kann es eigentlich jedem empfehlen, der merkt: Schule ist nicht mein Ding. Du kommst viel schneller ins Berufsleben und stehst nicht auf einmal da, hast dein Abitur in der Hand und denkst dir: Was mach ich jetzt? Du lernst sehr viel fürs Leben. Wenn du einen Beruf hast, der dir viel Spaß macht, dann stehst du jeden Morgen auf und freust dich aufs Arbeiten. Und ein großer Pluspunkt ist natürlich, dass du schon dein eigenes Geld verdienst. Anstatt noch drei Jahre in der Schule zu sitzen und die Schulbank zu drücken, fährst du zur Arbeit und siehst jedes mal am Monatsende, wie dein eigenes, selbst erarbeitetes Gehalt auf dein Konto kommt, das ist schon ein tolles Gefühl. Ich kann es wirklich jedem ans Herz legen, eine Ausbildung macht super viel Spaß ! Man hört ja gerne: Ausbildung? Mach lieber dein Abitur, dann hast du einen richtigen Schulabschluss. Heutzutage kommst du auch ohne Abitur sehr weit!
Möchtest du sonst noch etwas loswerden? Wenn ihr euch entscheidet eine Ausbildung zu machen, tut es nicht fürs Geld! Viele sagen, sie wollen eine Ausbildung machen und zu dem Betrieb, der am besten bezahlt, gehen. Es macht aber keinen Sinn, wenn du einen gut bezahlten Job hast, den aber nicht magst. Such dir ne Ausbildung wo du denkst, dass du richtig Lust darauf hast, was dir Spaß macht und wo du Interesse für zeigst. Es ist viel befriedigender morgens aufzustehen und dich aufs Arbeiten zu freuen, anstatt morgens aufzustehen und zu denken, dass du arbeiten musst, keine Lust hast und lieber zuhause bleiben möchtest. Das finde ich sehr wichtig und das sollte man auf alle Fälle beachten.
Frau Langkamp: Haben Sie noch etwas, dass man unbedingt beachten muss in der Ausbildung oder bei der Bewerbung? Ich bin tatsächlich ein Freund von KI beim Verfassen von Anschreiben, um erstmal einen Einstieg zu finden. Vielen Schüler*innen fällt das schwer, die sitzen dann davor und wissen nicht, wie sie anfangen sollen. Also, sich technische Hilfe zu holen finde ich total super! Was vielleicht auch ganz wichtig zu wissen ist, dass sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Das heißt, die Bewerber jetzt haben super Startbedingungen. Noten spielen nicht unbedingt eine große Rolle bei den Unternehmen, das kommt immer ein bisschen auf den Beruf an und wo ich hin will. Die Unternehmen verzeihen sehr sehr viel, wenn sie merken, dass sich ein Bewerber sehr mit seiner Berufswahl auseinandergesetzt hat und der engagiert ist. Es muss einfach für die Unternehmen erkennbar sein, dass man Lust auf den Beruf hat und ihn gerne ausüben möchte. Ich glaube, dann kann man vieles, was vielleicht in der schulischen Laufbahn nicht so toll ist, auch heilen.
Frau Zietz: Haben Sie noch einen Rat an die Schüler*innen, die sich gerade mit dem Thema befassen und vielleicht unsicher sind, ob sie den Weg bis zum Abitur noch gehen möchten? Das Wichtigste ist, dass man sich bewusst macht, welchen beruflichen Weg man eigentlich gehen will. Ich würde immer zwei Dinge zu bedenken geben! Erstens: Unser Schulsystem ist schon durchlässig, auch nach einer Ausbildung hat man immer die Möglichkeit, noch ein Abitur zu machen. Zweitens: wenn man sich noch sehr unsicher ist über den zukünftigen Weg, dann würde ich weiter zur Schule gehen, damit man am Ende nicht das Gefühl hat, eine Chance verpasst zu haben.
Möchten Sie sonst noch etwas loswerden, was ich vielleicht nicht angesprochen habe? Was mich manchmal ein wenig umtreibt ist, dass ich das Gefühl habe, dass Schüler*innen, die schon in der Oberstufe sind und merken, es läuft nicht so richtig, oft zu lange an einem Weg festhalten. Hier wäre es wichtiger, Offenheit zu behalten, immer mal zu justieren und zu überlegen, welcher Weg der beste ist.

Ob ihr den Weg des Abiturs, den Wechsel auf ein Fachgymnasium oder eine Ausbildung wählt – informiert euch frühzeitig und seid offen für verschiedene Möglichkeiten. Nutzt die vielen Möglichkeiten zur Unterstützung um herauszufinden, was am besten zu euch passt. Seid mutig, neue Wege zu erkunden, und trefft Entscheidungen, die euren Interessen und Fähigkeiten entsprechen. Euer persönlicher Weg ist es wert, ihn mit Überzeugung zu gehen!
Hinweis: Die Bilder des Textes sind ki-generiert.